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Freitag, 25. Januar 2019

Der Klang des Megaphons


In den kleinen Strassen von Chang Mai ertönen Stimmen aus dem heiseren Megaphon, repetitiv wie sprechende Vögel. Ich verstehe nichts, sehe jedoch in welchem Zusammenhang die Ausrufer unterwegs sind. „Alteisen, Alteisen….!“ „Gas zu verkaufen!“ „Feine Glacen!“
Dieser Klang des Megaphons versetzt mich für kurze Zeit
fünfzig Jahre zurück.

Vor einem halben Jahrhundert, ui das habe ich bereits erlebt, gab es in unserem Dorf im Seeland ebenfalls Ausrufer. Ich erinnere mich gut an das Gebimmel des Glöckchens, das schwarze Herrenrad, welches heute wieder ein Hype ist und die blau gestreifte Kleidung des Ausrufers.

Er ging gemächlich durch die Strassen, machte ab und zu Halt und informierte die Bevölkerung, wenn das Wasser abgestellt wurde, der Strom ausfiel oder Kassenfleisch verkauft wurde.

Genau Kassen - Fleisch, was war denn das?

Auf meinem Schulweg konnte ich dem Anblick ins Schlachthaus nicht entgehen. Ich sah wie die Tiere meist vom Bauern selber in dieses kleine Haus gebracht wurden.
Die Türen standen offen und als Kind wusste ich, woher die Wurst auf dem Feuer kam.

Davon haben wir uns in der heutigen Zeit meilenweit entfernt.
Kassen - Fleisch bedeutete, dass eine Notschlachtung vollzogen wurde und das Fleisch als zweitklassig direkt zu einem Sonderpreis verkauft wurde, meist Suppenfleisch, da es nicht besonders zart war. 

Es fühlt sich merkwürdig an, als 90 % Vegetarierin in einer Selbstverständlichkeit über diese Bilder der Kindheit zu schreiben. Merkwürdig im Sinne von „ich müsste mich fast schämen“, dabei war es damals einfach so wie es war. Ich glaube, das komische Gefühl entspringt den heutigen Szenarien.
Der Ausrufer betätigte seine Glocke auch abends um 8:00 Uhr. Dies bedeutete, dass wir Schulkinder nicht mehr auf der Strasse sein durften, sonst wurden wir zurecht gewiesen und mit einem Wink des Zeigefingers deutlich nach Hause geschickt.

So nun gehe ich mit dem deutlichen Wink des Zeigefingers wieder ins Hier und Jetzt und erfreue mich am Anblick der Kinder im Garten des Nachbars.

Welche Erinnerungen werden diese Kinder in fünfzig Jahren in sich tragen?

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