Sei wer du bist!

Sonntag, 27. Januar 2019

Ein Spektakel mit vielen Facetten



Da muss Mann und Frau hin:
Heute wird beim "Drei Könige Monument" das grosse Epos des Ramayana vom königlichen Hoftheater aufgeführt.
Masken, Musik, Tanz, Geschichte mit Inhalt
Die Geschichte kenne ich, denn ich habe sie auf Bali in einer magischen Aufführung auf einer Klippe bei Sonnenuntergang gesehen.
Der Feuerkreis am Schluss, gigantisch fast schon beängstigend.
Dieser Kreis erinnerte mich an eine Heilsession bei einem südamerikanischen Schamanen, ganz schön heiss in einem solchen Feuerkreis zu stehen.

Ich wandere circa eine halbe Stunde zum Schauplatz in Chang Mai und erhasche einen ersten Blick der Tänzer durch die Lücken einer Mauer. Es kam schon ab und zu vor, dass ich ganze Spektakel durch die Lücke einer Mauer genoss, heute aber erobere ich einen Sitzplatz, sogar in den vorderen Reihen. Beim Anblick dieser riesigen Menschenmenge frage ich mich, ob die Zuschauer in der hintersten Reihe überhaupt noch etwas sehen. Hören ist hier nicht das Problem. Ganz vorne höre ich zu viel und verstehe doch nichts. 
Die Lautsprecher krächzen, die Sprache ist für mich mit sieben Siegeln verschlossen.
Meine Sitznachbarin begrüsst mich freundlich und offeriert mir ein kleines gelbes noch nie gesehenes Kügelchen. Einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul und schon stecke ich mir das kleine Ding in den Mund. Oh, ein seltsamer Geschmack. Mit viel Gestik möchte ich mir ins Klare kommen, was das ist: die Antwort lautet: Eggs
Eier? Schlangeneier? Die nette Frau zeigt nämlich mit einer schlängelnden Handbewegung auf den Boden. Ein Tier? Nein, eine Pflanze, endlich kann ich wieder ausatmen, Samen sind auch Eier.
Ich greife zur Wasserflasche und meine Nachbarin rückt zwei Reihen vor.
Die wunderbar beleuchtete Bühne lädt die Prinzessin und den Prinzen zur ersten Szene ein.

Der Sprecher gibt sich Mühe noch lauter und dramatischer zu erzählen.
Ich suche meine Ohrstöpsel erfolglos und behelfe mir mit den Kopfhörern des Handys.
Die ersten Zuschauer verlassen die Reihen, so auch diejenigen direkt vor mir, ein Handy weniger, dafür rutscht ein kleines süsses hyperaktives Mädchen nach. Sie trägt einen auffallenden, nicht allzu kleinen Haarschmuck. Aufstehen, nach Links und Rechts rutschen, auf den Stuhl stehen, so geht dies in einem fort. Jetzt ist es für mich noch schwieriger, die Geschichte zu verfolgen, denn ich sehe oft nichts mehr und höre nur den Text, den ich nicht verstehe.
Jetzt kommt Hanoman, der Affe auf die Bühne gekugelt, hüpft in einer liebenswerten Art hin und her, auf und ab. Oh, jetzt sehe ich die Aufführung verhundertfacht, denn wie auf Kommando schiessen die Handys im Film Modus hoch, gezoomt auf Hanoman. Hundert Hanomans aus verschiedenen Perspektiven auf einen Blick, so ein Spass. Auch meine neue Sitznachbarin ist eine fleissige Szenen konservierende Zuschauerin.
Jede Szene wird sofort auf Facebook gestellt und alle 10 Sekunden muss sie nachschauen, wer ihren Beitrag geliked hat.
So gehen die Mobiles hoch und runter, nun ist die Bühne frei für schöne Tänzerinnen als Meerjungfrauen kostümiert, diese Szene habe ich auf Bali definitiv nicht gesehen.
Bis zur Feuerszene schaffe ich es nicht, es dauert Stunden denn nun kommen die Prinzessin und Hanoman ins Publikum, so dass die Zuschauer ein Selfie in den Armen der Prinzessin oder des lieblichen Hanomags erobern können. 
Posten und nicht vergessen zu liken auch den eigenen Post.
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Freitag, 25. Januar 2019

Der Klang des Megaphons


In den kleinen Strassen von Chang Mai ertönen Stimmen aus dem heiseren Megaphon, repetitiv wie sprechende Vögel. Ich verstehe nichts, sehe jedoch in welchem Zusammenhang die Ausrufer unterwegs sind. „Alteisen, Alteisen….!“ „Gas zu verkaufen!“ „Feine Glacen!“
Dieser Klang des Megaphons versetzt mich für kurze Zeit
fünfzig Jahre zurück.

Vor einem halben Jahrhundert, ui das habe ich bereits erlebt, gab es in unserem Dorf im Seeland ebenfalls Ausrufer. Ich erinnere mich gut an das Gebimmel des Glöckchens, das schwarze Herrenrad, welches heute wieder ein Hype ist und die blau gestreifte Kleidung des Ausrufers.

Er ging gemächlich durch die Strassen, machte ab und zu Halt und informierte die Bevölkerung, wenn das Wasser abgestellt wurde, der Strom ausfiel oder Kassenfleisch verkauft wurde.

Genau Kassen - Fleisch, was war denn das?

Auf meinem Schulweg konnte ich dem Anblick ins Schlachthaus nicht entgehen. Ich sah wie die Tiere meist vom Bauern selber in dieses kleine Haus gebracht wurden.
Die Türen standen offen und als Kind wusste ich, woher die Wurst auf dem Feuer kam.

Davon haben wir uns in der heutigen Zeit meilenweit entfernt.
Kassen - Fleisch bedeutete, dass eine Notschlachtung vollzogen wurde und das Fleisch als zweitklassig direkt zu einem Sonderpreis verkauft wurde, meist Suppenfleisch, da es nicht besonders zart war. 

Es fühlt sich merkwürdig an, als 90 % Vegetarierin in einer Selbstverständlichkeit über diese Bilder der Kindheit zu schreiben. Merkwürdig im Sinne von „ich müsste mich fast schämen“, dabei war es damals einfach so wie es war. Ich glaube, das komische Gefühl entspringt den heutigen Szenarien.
Der Ausrufer betätigte seine Glocke auch abends um 8:00 Uhr. Dies bedeutete, dass wir Schulkinder nicht mehr auf der Strasse sein durften, sonst wurden wir zurecht gewiesen und mit einem Wink des Zeigefingers deutlich nach Hause geschickt.

So nun gehe ich mit dem deutlichen Wink des Zeigefingers wieder ins Hier und Jetzt und erfreue mich am Anblick der Kinder im Garten des Nachbars.

Welche Erinnerungen werden diese Kinder in fünfzig Jahren in sich tragen?